Der Mensch des 21. Jahrhunderts hat in der Regel kein Problem damit, private Daten und Informationen über das Internet der Öffentlichkeit preiszugeben. Bisher machte dieser Trend jedoch vor Friedhöfen halt. In letzter Zeit sieht der aufmerksame Besucher allerdings vermehrt QR-Codes auf Grabsteinen prangen. Bei diesem Thema scheiden sich die Geister. Die Einen finden es pietätlos, die Anderen sind begeistert.
Aschersleben im Salzlandkreis beherbergt einen der ältesten und gleichzeitig größten Friedhöfe des Bundeslandes Sachsen–Anhalt. Seit dem Jahr 1860 existiert der Zentralfriedhof bereits. Mittlerweile hat sich die Zahl der historischen Grabsteine auf stattliche 7.000 summiert. Viele Menschen wurden auch anonym beerdigt. Die Zeit ist auf dem Friedhof trotzdem nicht stehengeblieben. Das Gegenteil ist der Fall. Man zeigt sich überaus fortschrittlich und offen für Neues. Heute findet man nämlich vor genau 21 Grabsteinen einen QR-Code. Er ist auf einer kleinen Tafel vor dem jeweiligen Grab angebracht.
Die schwarzweißen Pixelcodes werden mit Hilfe eines Smartphones eingescannt. Kurze Zeit später erscheinen auf dem Bildschirm Informationen über den dort Beerdigten. Aktuell sind nur Grabsteine von bekannten Persönlichkeiten der Stadt mit einem QR–Code ausgestattet. So findet man eine solchen zum Beispiel am Grab vom Architekt Hans Heckner, vom Arbeitssportler Herrmann Gieseler und auch von der Fabrikanten–Familie Bestehorn. Besuchern soll auf diese Weise die Stadtgeschichte nähergebracht werden. Der sogenannte „Erinnerungspfad“ entstammt einer Zusammenarbeit der Friedhofsverwaltung mit der Geschichtswerkstatt und der Werbeagentur Layoutzone. Letztere bestätigte den Erfolg der Aktion mit der Aussage, dass im Durchschnitt 5.000 Aufrufe monatlich erfolgen. Sogar Schulen nutzen den Zentralfriedhof für Projekte zur Geschichte der Stadt Aschersleben.
Neu sind QR-Codes auf Friedhöfen nicht. Bundesweit sind sie inzwischen auf zahlreichen Gräberanlagen im Einsatz. Auch der Friedhof „Stadtgottesacker“ in Halle und der „Neue Begräbnisplatz“ in Dessau gehören dazu. Welcher Friedhof QR-Codes nutzt, verrät die Internetseite „Wo sie ruhen“. In der App sind zurzeit 37 historische Friedhöfe in ganz Deutschland aufgeführt, die Standort von etwa 1.000 kulturhistorisch bedeutsamen Grabsteinen sind. Mit dabei ist unter anderem das Grabmal von Georg Händel, dem Vater des Komponisten Georg Friedrich Händel, der in Halle seine letzte Ruhe fand. Auf dem „Neuen Begräbnisplatz“ in Dessau kann man über einen QR–Code zum Beispiel die Begräbnisstätte von Friedrich von Anhalt ausfindig machen.
Doch nicht jeder befürwortet den Trend zur Digitalisierung von Gräbern. Die Hansestadt Stendal lehnt QR–Codes auf Grabsteinen ebenso ab wie die Lutherstadt Wittenberg, zumindest was die Ausstattung von historischen Grabstätten damit betrifft. Kein Problem besteht dagegen hinsichtlich privater Gräber. Dahingehend fehlen bis jetzt aber die Anfragen.
Im traditionell geprägten Westen von Baden-Württemberg, genauer gesagt in Achern, hat das Thema eine große Debatte entfacht. Die Reaktionen auf Facebook bezüglich eines Beschlusses des Gemeinderats zur Erlaubnis von QR-Codes auf Grabsteinen waren gemischt. Es war von Geschmacklosigkeit und „Mist“ die Rede. Ein Großteil der Kommentatoren übte harsche Kritik an dem Vorhaben oder lehnte es gar strikt ab. Es sei unangebracht, die letzte Ruhestätte mit derart technischen Neuerungen zu versehen. Einige wenige Facebook – Nutzer zeigten aber auch Verständnis für den Beschluss. Jedem solle es selbst überlassen sein, wie er mit seiner Trauer umgeht. Manche sahen den QR-Code weiterhin als eine Möglichkeit, um bei den Lebenden in Erinnerung zu bleiben.
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