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Die Stuttgarter Bibliothek für Zeitgeschichte sammelt auch Aufkleber

Die Bibliothek für Zeitgeschichte (BfZ) in Stuttgart wird 100 Jahre alt und feiert ihr Jubiläum mit einer Ausstellung in der Landesbibliothek. Zu den Exponaten gehören zahlreiche Dokumente aus dem letzten Jahrhundert. Die Auswahl reicht von Büchern, Fotos und Lebensmittelmarken bis hin zum Aufkleber gegen Atomkraftwerke.

356693_web_R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.de (2)Auf eine 100- jährige Geschichte blickt die Stuttgarter Bibliothek für Zeitgeschichte (BfZ) in diesem Jahr zurück. Im Laufe der Zeit haben sich da so einige Dinge angesammelt. Einige von ihnen können derzeit in einer Ausstellung in der Landesbibliothek besichtigt werden. Obgleich es der Name vermuten lässt, handelt es sich bei den Ausstellungsstücken aber keineswegs nur um Bücher. Zeitgeschichte wird mit durchaus mehr als mit diesen gedruckten Werken dokumentiert. Das beweist die Ausstellung eindeutig.

Am Donnerstag, dem 19. November wurde sie feierlich von Bibliotheksleiter Christian Westerhoff eröffnet. Jener stellte anlässlich der Eröffnung auch die Festschrift zum 100. Jahrestag vor. Sie wird ebenfalls im Rahmen der Präsentation gezeigt und gesellt sich damit zu einem breit aufgestellten Sammelsurium an Exponaten.

Seit 1915 widmet sich die BfZ der Dokumentation der Zeitgeschichte und das mit regelmäßig wechselnden Sammelschwerpunkten. Die Bibliothek zeigt(e) sich wandelbar und aufgeschlossen gegenüber Neuem. Eben genauso, wie es die jeweilige Ära erfordert(e). Waren Plakate in Mode, wurden Plakate gesammelt. Nutzten die Menschen Aufkleber zum Überbringen von Botschaften, dann rückten die kleinen Klebebildchen in den Mittelpunkt des Interesses. Sie ergänzen sich perfekt mit den Sammelgegenständen, die üblicherweise als Zeitzeugnisse aufbewahrt werden. Im Ergebnis entstand eine interessante Mischung, die einen abwechslungsreichen Einblick in die letzten 100 Jahre gibt.

Zufall war es nicht, dass die Gründung der Bibliothek mitten hinein in den Ersten Weltkrieg fiel. Eigentlich gab genau jener den Ausschlag dafür. Die Menschen hatten das Gefühl, es bahne sich etwas Großes an und es liege eine neue Zeitepoche vor ihnen. So wurden einige Bürger Deutschlands von der Sammelleidenschaft gepackt. Im ganzen Land wurde damit begonnen, Zeugnisse der Zeit zu sammeln.

Deutschlandweit gibt es 200 derartiger Sammlungen, weiß Westerhoff zu berichten. Initiator und Finanzier der Stuttgarter war der Großindustrielle Richard Franck. Der Ludwigsburger war Inhaber der Heinrich Franck Söhne Kaffeefabrik, dem einst weltgrößten Produzenten von Ersatzkaffee aus Zichorien. Er verfolgte das Ziel, das Schrifttum des Ersten Weltkriegs aus dem In- und Ausland komplett zusammenzustellen und somit für die Nachwelt zu erhalten. Franck starb 1931. Seine von ihm gegründete Weltkriegsbücherei wurde weitergeführt.

Bis 1920 war Berlin Standort der Bücherei. Von dort aus zog sie ins Schloss Rosenstein in Stuttgart um und wurde bei einem Luftangriff der Alliierten 1944 fast vollständig zerstört. Im Jahre 1948 erfolgte die Umbenennung in Bibliothek für Zeitgeschichte. 1951 fanden sich in der Württembergischen Landesbibliothek geeignete Räumlichkeiten, wo die BfZ noch heute ihr Domizil hat.

Die Sammlung widmet sich nicht mehr nur den beiden Weltkriegen, sie thematisiert auch die Friedens- und Konfliktforschung, den staatlichen Terror, die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Geschichte der Genozide. Jeder Bibliotheksleiter hat seine eigenen Vorlieben eingebracht. Der von 1959 bis 1989 amtierende Jürgen Rohwer begeisterte sich für die Marinegeschichte und sammelte während seiner Amtszeit 500.000 Fotos zu diesem Thema. Ab 1972 verlagerte sich Rohwer auf die Thematik „soziale Bewegungen“. Fortan wurden vermehrt Flugblätter und Hefte von Amnesty International, der Friedensbewegungen sowie von Gruppen gegen Atomkraft gesucht. BfZ-Leiter Gerhard Hirschfeld, der von 1989 bis 2011 die Leitung der Bibliothek innehatte, fügte der Sammlung 25.000 Feldpostbriefe hinzu.

Westerhoff konzentriert sich vordergründig darauf, die Ausstellungsstücke in einer digitalen Form den Menschen auf der ganzen Welt zugänglich zu machen. Wer allerdings doch lieber persönlich in der Landesbibliothek vorbeischauen möchte, hat noch bis zum 5.?März 2016 die Gelegenheit dazu.

Bildquelle: © Rainer Sturm / Pixelio.de