Wo muss ich aus dem Bus aussteigen? Wie nehme ich meine Medikamente richtig ein? Welches ist die richtige Klingel? Solche und ähnliche Fragen bereiten schon Sehenden Probleme, wie soll es dann erst Blinden ergehen? Mit den sogenannten „MindTags“ dürften derartige Fragen bald kein Hindernis mehr darstellen. Dahinter verbirgt sich ein Informationssystem, das einfach über das Smartphone bedient wird. Erfunden wurde es von einem 46 Jahre alten Familienvater, der über eine eingeschränkte Sehkraft verfügt und vieles nur stark vergrößert erkennen kann. Das sieht man ebenfalls bei der Arbeit an seinem Projekt. Obwohl er den großen Monitor bis an die Nasenspitze heranzieht, ist die Schrift um ein Vielfaches vergrößert, damit der Entwickler alles sieht.
Die von ihm entwickelte App ist kostenlos und barrierefrei. Nach der Installation wird das Smartphone einfach an den Aufkleber mit Sensor gehalten und schon wird dem Nutzer die gewünschte Information vorgelesen. Der Sticker hat etwa die Größe von einem 1-Euro-Stück und kann überall angebracht werden, am Busfahrplan zum Beispiel, von anderen besprochen, oder am Kühlschrank, mit eigenen Angaben zum Inhalt desselben und dessen Haltbarkeit versehen. Die Übertragung der Daten erfolgt per Near Field Communication, kurz NFC, einer drahtlosen Kommunikationstechnik, die unter anderem beim Bezahlen per Smartphone zum Einsatz kommt.
Um zu wissen, wo die „MindTags“ gebraucht werden, wird mit Betroffenen getestet. Aktuell ist das in Berlin der Fall. Zu den Testobjekten gehören Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln, der Zoo und Ausstellungen. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverein e.V. berichtet regelmäßig über Neuerungen und hat bereits Tags für Museen und Ampeln vorgestellt. „MindTags“ aber gehen noch ein Stück weiter, indem sie auch in den privaten Bereich Einlass finden.
Ein großes Hindernis für in ihrer Sehkraft eingeschränkte oder blinde Personen sind Türschilder. Mit einem entsprechenden Tag wird nicht nur der Name genannt, sondern zugleich die Öffnungszeiten, falls erforderlich und erwünscht. Selbst Toiletten können mit dem Aufkleber jederzeit problemlos gefunden werden und genau das ist das Anliegen des Erfinders: Er möchte sehbehinderten Menschen zu Unabhängigkeit verhelfen, sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen. Den ersten erfolgreichen Einsatz hatten die „MindTags“ im Museum für islamische Kunst im Pergamonmuseum. Sie machten die Ausstellung auch für Nicht-Sehende oder in ihrer Sehkraft eingeschränkte Personen zum Erlebnis.
Mit der Möglichkeit zum Hinterlegen von eigenen Mitteilungen auf den Tags werden diese weiterhin zu einer wertvollen Hilfe im Alltag. Der Einkaufszettel wird einfach auf einen Tag aufgesprochen und an die Wohnungstür gepinnt. Kommt der Partner nach Hause, ruft er mit dem Smartphone die Nachricht ab und kann jene auch von unterwegs aus über den hinterlegten Internet-Link jederzeit wieder abrufen beziehungsweise aktualisieren.
Zweieinhalb Jahre nahm die Erfindung der “MindTags“ in Anspruch. Daran beteiligt waren ein Team aus Programmierern, ein Designer sowie die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Drei Preise gab es für die Tags, obwohl deren Verwendung bisher noch in einem überschaubaren Rahmen stattfindet. Dennoch ist es eine zukunftsweisende Technologie, die in den verschiedensten Lebensbereichen ihre Anwendung finden sollte. Ob die „MindTags“ eines Tages in ganz Deutschland oder vielleicht sogar auf der ganzen Welt zu finden sind, bleibt abzuwarten, wünschenswert wäre es allemal.
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