Graffiti ist umstritten. Die Einen sehen es als Kunst, die Anderen als Sachbeschädigung, deren Beseitigung Unsummen verschlingt. Die aus Weimar stammende Sprayer-Gruppe CWR kennt das nur zu gut. Sie sind schon häufiger mit der Polizei aneinandergeraten, weil die deutschen Städte für sie ein einziger Ausstellungsraum sind. Aktuell aber dürfen sie ihre Kunstwerke ganz legal zeigen, und zwar in der alternativen Galerie am Markt 21 in Weimar.
Schon die Begrüßung zur Eröffnung macht die Zweideutigkeit der Ausstellung deutlich. MC Emkey, ein Kurator des Galerievereins, begrüßt alle Gäste, „die aus beruflichen Gründen beziehungsweise undercover anwesend sind“, recht herzlich. Dem aufmerksamen Besucher dürfte zudem auch nicht der rechtliche Hinweis über einer der Türen entgehen: „Die hier gezeigten Werke sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, den Kuratoren der Ausstellung anonym, ohne Hinweis auf die Verfasser, zugesandt worden.“ Weiterhin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man mit der Vernissage nicht zu Straftaten aufrufen oder diese glorifizieren möchte.
Dabei kann sich das Graffiti auf Leinwand durchaus sehen lassen. In 15 Jahren CWR ist einiges zusammengekommen. Mittlerweile sind es bereits mehrere Sprayer-Generationen, die unter dem Kürzel aktiv sind. Sie kommen aus Weimar, haben aber längst Thüringen, Deutschland und die ganze Welt erobert. Was CWR ausgeschrieben heißt, scheint keiner genau zu wissen und darf frei interpretiert werden. Da gibt es zum Beispiel die Namen „Crew Weimar“ oder „Cool Wall Rockers“. Das Kürzel CWR allerdings ist unverrückbar. Es ist an Hausfassaden, Lärmschutzwänden, Stromkästen, Autobahnbrücken, Eisenbahnwaggons und Buswartehäuschen zu sehen. Nicht jedes stammt von der Handvoll Künstler, die derzeit in der Gruppe aktiv sind, aber in der Sprayerszene gilt es als Ehre, von anderen nachgemacht zu werden.
Auf welchen schmalen Graten sich ein Graffiti-Sprüher bewegt, wird besonders in einem Raum deutlich: Er kann nur gebückt betreten werden, durch ein Loch im Maschendrahtzaun. Dahinter befinden sich Kunstwerke, die wohl so mancher als höchst grenzwertig bezeichnen würde. Es handelt sich um Schnappschüsse zum Leben und Werk der Sprayer, die meisten im Eisenbahnmilieu entstanden. Das Besprühen von Zügen ist sozusagen die Königsdisziplin des Graffitis. Dementsprechend auch das Ambiente im Ausstellungsraum: Auf dem Boden liegt ein Teppich von der Deutschen Bahn, wie er in vielen Zügen zu sehen ist. In einer Vitrine werden wie Jagdtrophäen Streckenschilder von Waggons und Ähnliches zur Schau gestellt.
In den anderen vier Galerieräumen geht es „legaler“ zu. Großformatige Fotografien laden zu einer Weltreise ein. Gezeigt werden Graffitis auf der Berliner U-Bahn, der New Yorker Subway, der Pariser Metro und der Londoner Tube. Verbunden fühlen sich die Weimarer Künstler vor allem mit New York. Dort haben sie zurück zu ihren Wurzeln gefunden. Die Geschichte des Graffitis nahm zwar in der Antike ihren Anfang, als schriftliche Ausdrucksform der Hip-Hop-Kultur trat sie aber gemeinsam mit dieser ab dem Ende der 1960er-Jahren ihren Siegeszug durch die Welt an. Bis in das Thüringer Städtchen Weimar war es damals freilich noch ein weiter Weg, doch inzwischen ist die Kunst angekommen und hat sich einen festen Platz erobert. Wer sich davon überzeugen möchte, hat noch bis zum 14. Januar 2015 die Gelegenheit dazu. Die Ausstellung mit dem Titel „Menetekel“ hat täglich ab 16 Uhr geöffnet.
Bildquelle: © Rudolpho Duba / Pixelio.de