Im Jahre 2012 geriet der bekannte Kunstsammler Cornelius Gurlitt in die Schlagzeilen, als die Augsburger Staatsanwaltschaft in seiner Wohnung seine fast 1.300 Werke umfassende Kunstsammlung beschlagnahmte. Als Grund dafür wurde der Verdacht auf Unterschlagung und Steuerhinterziehung angegeben. Es ergab sich, dass einige Exemplare zur NS-Raubkunst zählten. Demzufolge gingen in der Folgezeit zahlreiche Herausgabeklagen beim Gericht ein.
Eine erste offizielle Stellungnahme zum Sachverhalt bezog Gurlitt im November 2013. Unter anderem gab er damals gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“ an, dass er nicht gewillt sei, die betreffenden Werke freiwillig herauszugeben. Jetzt ließ er die Aussage von seinem Anwalt widerrufen. Dieser teilte mit, Gurlitt werde sich die Klagen genau anschauen und anschließend eine Lösung mit den jeweiligen Parteien aushandeln, die fair und gerecht ist. Das eigens zur Aufklärung gegründete Team „Schwabinger Kunstfund“ hat Gurlitt eine Aufstellung der Werke zukommen lassen, zu denen Anfragen von möglichen Erben vorliegen. Allerdings beinhalten jene nur wenige Anfragen mit konkreten Forderungen, betreffend echte NS-Raubkunst, erklärte Gurlitts Anwalt. Zugleich liefen Verhandlungen mit den Behörden zur Rückgabe der tatsächlich im Eigentum des Kunstsammlers stehenden Werke an diesen.
Nach Aussage der Sondereinheit in Berlin erfolgte bisher die Identifizierung von 458 Objekten als NS-Raubkunst. Zu sehen sind die Grafiken, Zeichnungen und Gemälde in der Lost Art Internet Datenbank der Koordinierungsstelle Magdeburg. Die Herkunft der Werke aus der Gurlittschen Kunstsammlung soll so durch die Mithilfe der Öffentlichkeit geklärt werden. Die Lost Art Internet Datenbank ist eine Einrichtung für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverlust infolge des Nazi-Regimes und wird vom Bund sowie den Ländern der Bundesrepublik Deutschland betrieben. Die erste Sichtung der Kunstgegenstände ist abgeschlossen. Der Anwalt des Sammlers monierte, dass es im Rahmen derer für zahlreiche Bilder überhaupt keine Anfragen gab. Hier wurde lediglich pauschal der Verdacht auf NS-Raubkunst erhoben.
Das mit der Identifizierung und Herkunftsbestimmung beauftragte Team steht unter Leitung der früheren Kulturpolitikerin Ingeborg Berggreen-Merkel. Unterstützt wird sie unter anderem von Uwe Hartmann als Leiter der Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung, von Meike Hoffmann, die Projektkoordinatorin der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der Freien Universität Berlin ist, sowie dem Leiter der Magdeburger Koordinierungsstelle für Kulturverluste, Michael Franz. Auch Shlomit Steinberg vom Israel Museum und Yehudit Schendar von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gehören dem international besetztem Expertenteam an. Die Einsetzung desselben wurde vom Bundesland Bayern und der Bundesregierung beauftragt. Die Aufgabe der Arbeitsgruppe ist die Unterstützung der Augsburger Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zur Herkunft der Kunstwerke aus Gurlitts Wohnung. Er hatte die Sammlung von seinem Vater geerbt.
Hildebrand Gurlitt war ein Kunsthändler, der im Auftrag von Hitler agierte. Die Sammlung galt als verschollen, bis sie von den Ermittlern in der Wohnung von Cornelius Gurlitt entdeckt wurde. Die Sicherstellung der Werke, welche zum Teil auf Leinwand verewigt wurden, nahm mehrere Tage in Anspruch. Sie ging vom 28. Februar bis 2. März 2012. Bekannt wurde sie erst im vergangenen Herbst. Bis dahin lebte Gurlitt zurückgezogen und widmete sich hauptsächlich der Erhaltung der Sammlung, ohne aber eigene Käufe zu tätigen. Im Sommer 2011 wurde vom Kölner Auktionshaus Lempertz das Werk „Löwenbändiger“ von Max Beckmann für 864.000 Euro versteigert. Den Verkaufserlös teilte Gurlitt im Nachhinein mit den Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim, da im Zuge der Herkunftsermittlung der Verdacht nahelag, dass jener das Werk aufgrund der Verfolgung durch die Nazis verkaufte.
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