Was haben wir nicht schon alles in der Berliner U-Bahn gesehen: Sticker, Graffitis, Plakate und vieles mehr. Jetzt kommt wieder einmal etwas noch nicht Dagewesenes. Kontoauszüge auf Leinwand. Die Aktion hat einen ernsten Hintergrund. Oliver Breitenstein (46) möchte damit auf die finanzielle Situation vieler Künstler in Deutschland aufmerksam machen.
Seine eigenen Finanzen sind ebenfalls sozusagen im Keller, da bietet sich der Berliner Untergrund doch geradezu für eine solche Sache an. Zu seiner künstlerischen Inspiration sagte Breitenstein gegenüber der BZ, dass sein Dispokredit chronisch überzogen sei. Derzeit ist er mit 1.741 Euro im Minus, das wolle er gerne eins zu eins abbilden.
Aber so leicht war es dann nun auch wieder nicht, einfach so seine Kontoauszüge auf Leinwand in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vorab musste der Künstler an einem Wettbewerb teilnehmen. Dieser war von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst ausgeschrieben. Gewinner gab es mehrere, Breitenstein war darunter und darf ab 28. August fünf persönliche Kontoauszüge mit einem Format von 2,5 mal 3,5 Meter im Weddinger U-Bahnhof Reinickendorfer Straße zeigen. Ob dies das richtige Mittel gegen den Geldmangel ist, sei dahingestellt, aber es ist zumindest eine witzige Idee, die einigen Menschen aus der Seele sprechen wird und darunter dürften sich nicht nur Künstler befinden.
Interessant ist, für was man heutzutage alles eine Leinwand nutzt. Schließlich gibt es inzwischen zahlreiche digitale Medien, welche die Verbreitung von Kunst wie zum Beispiel Musik ebenfalls fördern. Aber es scheint so, als gehörten Kunstwerke in Form von Bildern auf Papier oder eine Leinwand. Der visuelle Effekt ist ab einer bestimmten Größe für den Betrachter eben wesentlich einprägsamer als im Internet auf einer kleinen Bildschirmseite. Deshalb wird auch heute noch auf Plakate und Poster gesetzt. Sie fallen den Menschen eher ins Auge, denn im Internet muss man nach ihnen suchen, während sie beim Gang durch die Stadt einfach da sind und nicht übersehen werden können.
Die Kontoauszüge von Oliver Breitenstein können ab dem 28. August in Berlin-Wedding ebenfalls nicht mehr übersehen werden und sie werden sicher einige kontroverse Diskussionen aufwerfen. Ist es wirklich Kunst, was man dort sieht? Aus welchem Grund erhält eine Person die Gelegenheit, solch derart private Dinge der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Andere Menschen würden niemals auf die Idee kommen, ihren Kontostand wildfremden Personen zu offenbaren. Aber so war es in der Kunst schon immer. Jeder Kunststil hat seine Befürworter und seine Gegner. Einige finden die Kunstwerke eines Künstlers anmaßend, wieder andere sind überaus begeistert. Das Einzige, was seit Jahrhunderten gleich geblieben ist, ist die Zusammengehörigkeit von Leinwand und Kunst. Heute erlebt die Leinwand sogar wieder eine Renaissance. Immer mehr Menschen entdecken die Aquarellmalerei als Hobby für sich. Dafür werden Komplettsets angeboten, die Farben, Pinsel, Staffelei und eine Leinwand enthalten. Jeder kann damit zum Künstler werden. Oder man nimmt einen schönen Schnappschuss von der eigenen Digitalkamera und lässt diesen auf eine Leinwand bannen. Das ist ein ganz persönliches Kunstwerk, wo man seine künstlerischen Fähigkeiten nicht unter Beweis stellen muss. Die Leinwand ist trotz moderner Materialien und Fertigungstechniken nicht aus der Kunst verschwunden. Sie wird uns noch lange erhalten bleiben.
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