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Ein Jahr nach Gurlitt – was hat sich bei der NS-Raubkunst auf Leinwand getan?

666461_web_R_K_B_by_Wolfgang Pfensig_pixelio.deCornelius Gurlitt war nie ein Nazi. Davon ist der Anwalt des am 6. Mai 2014 in München verstorbenen Kunsthändlersohns überzeugt. Cornelius hatte einst die wertvolle Kunstsammlung seines Vaters Hildebrandt Gurlitt geerbt. Bei einem Großteil dieser Sammlung aber handelte es sich vermutlich um NS-Raubkunst auf Leinwand. Der Fund der mehr als 1.500 Kunstwerke ging als „Schwabinger Kunstfund“ in die Geschichte ein und er veränderte einiges, was den Umgang mit NS-Raubkunst betrifft. So wird in Magdeburg ein Zentrum eingerichtet, wo die Fäden bei der Suche nach der Herkunft betroffener Kunstgegenstände zusammenlaufen. Die Zustimmung dafür gab Anfang Oktober die Kultusministerkonferenz (KMK). Das Zentrum wird den Namen „Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste“ tragen. Noch in diesem Jahr soll es errichtet werden. Die Kosten dafür tragen Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände. Die Stiftung wird als zentraler nationaler und internationaler Ansprechpartner in Sachen NS-Raubkunst fungieren. Weiterhin sollen Angebote für private Sammler und Museen erarbeitet werden, so wie es die Washingtoner Prinzipien empfehlen.

Seit fast 70 Jahren ist die Herrschaft der Nazis vorbei und noch immer sind deutsche Museen Lagerplatz für entartete Kunst, wie die NS-Raubkunst auch bezeichnet wird. Die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bezeichnet diesen Zustand als unerträglich. Sie empfindet die Gründung des „Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste“ als wichtigen Meilenstein im Rahmen der Aufarbeitung des Kunstraubs durch die Nationalsozialisten. Bereits im Jahre 1998 hatten sich insgesamt 44 Länder auf die Einhaltung gewisser Regeln im Umgang mit NS-Raubkunst verständigt. Jetzt sollen auch Privatpersonen einbezogen und ermutigt werden, ihre Kunstbestände mit Hilfe der Stiftung aufarbeiten zu lassen. Dass es hier bisher an Unterstützung mangelte, zeigt der Fall Gurlitt überdeutlich. Es gehe nicht zwangsläufig um einen materiellen Ausgleich. Vielmehr steht die Anerkennung des Unrechts, welches die Opfer erlitten haben, im Vordergrund. Dies ist zumindest die Meinung von Grütter. Das neue Zentrum wird einerseits die bisherige Koordinierungsstelle Lost Art in Magdeburg in sich aufnehmen, andererseits wird ebenfalls die in Berlin befindliche Arbeitsstelle für Provenienzforschung dorthin verlegt.

Der Fall Gurlitt ist indes immer noch nicht abgeschlossen. Das von Gurlitt als Alleinerbe eingesetzte Kunstmuseum Bern hat bisher keine Entscheidung über die Annahme des Erbes getroffen. Eine solche wurde für den 26. November in Aussicht gestellt. Bis dahin ruhen alle weiteren Aktivitäten in diesem Fall. Kurz vor Gurlitts Tod stand die Einigung mit den Erben bezüglich der Kunstwerke „Sitzende Frau“ von Henri Matisse und den „Reitern am Strand“ von Max Lieberman unmittelbar bevor. Mit dem Ableben des Kunstsammlers aber geriet die Sache wiederum zum Stillstand. Die Anspruchsteller warten bis heute auf die Bilder. Sollte das Museum die Erbschaft ausschlagen, würde die Rückgabe noch einmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Kunstmuseum spricht diesbezüglich von konstruktiv verlaufenden Gesprächen, die aber noch nicht abgeschlossen seien.

Allein über die Zahl, bei wie vielen Bildern aus der Sammlung es sich tatsächlich um NS-Raubkunst handelt, herrschen weit auseinandergehende Ansichten. Die eigens gebildete Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ spricht von mehreren hundert Werken. Gurlitts Anwalt dagegen sagt lediglich acht Gemälden eine „möglicherweise dunkle Vergangenheit“ nach. Somit wird uns der Fall Gurlitt wohl doch noch eine ganze Weile beschäftigen und es bleibt abzuwarten, ob die Herkunft der Bilder wirklich aufgeklärt werden kann.

Bildquelle: © Wolfgang Pfensig / Pixelio.de