Die Tradition des Sternsingens scheint dieser Tage so populär wie noch nie. Die Organisatoren können sich über mangelnden Nachwuchs jedenfalls nicht beklagen. Zudem sind die Sternsinger von den meisten Menschen gern gesehen, manche fiebern ihrem Besuch sogar regelrecht entgegen. Doch wo Licht ist, gibt es bekanntlich auch Schatten. Nicht jeder kann sich für die jungen Sänger und ihre „Hinterlassenschaften“ begeistern. So bezeichnete ein Hauseigentümer aus dem nordrhein-westfälischen Münster die mit Kreide angebrachte Segensinschrift als „Verschmutzung“ und sprach sogar von Sachbeschädigung. Für viele unverständlich. Schließlich soll mit der Inschrift doch das Haus unter Gottes Schutz gestellt und Unheil von ihm und seinen Bewohnern abgehalten werden. Wer könnte denn dagegen etwas haben?
Thomas Mundmann, als Cheforganisator der Sternsingeraktion in St. Josef – einem Ortsteil des westfälischen Warendorfs-, geht von einer in der Region einmaligen Angelegenheit aus. In seiner Gemeinde kann er sich so etwas kaum vorstellen. Es käme schon einmal vor, dass den Sternsingern die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, das seien aber Ausnahmen. Die Angst vor einer Verschmutzung des Hauses kann er ebenfalls nehmen. Auch wenn der Brauch des Sternsingens aus dem 16. Jahrhundert stammt, ist man nicht in diesem Zeitalter stehengeblieben. Wer die Segensinschrift nicht als Kreidezeichen an seinem Haus haben möchte, kann sich einen Aufkleber anbringen lassen. „Die sehen sogar noch wertiger aus“, erklärt Mundmanns. Und sie lassen sich einfach und rückstandslos wieder abziehen, wenn man sie nicht mehr haben möchte. Das ist wohl auch die Erklärung dafür, dass die Aufkleber eine wachsende Beliebtheit verzeichnen können.
Den göttlichen Segen gibt es übrigens nicht umsonst. Das Sternsingen ist ein sogenannter Heischebrauch. Bei diesem Brauch geht es um das Fordern beziehungsweise Erbitten von Gaben. Im Falle des Sternsingens ist es Geld, das für wohltätige Zwecke gesammelt wird. Das Sternsingen wird weiterhin Dreikönigsingen genannt. Die Sänger ziehen als die Drei Heiligen Könige verkleidet von Haus zu Haus. Das geschieht an den zwölf Weihnachtstagen, worunter die Zeit vom 25. Dezember bis zum 6. Januar fällt.
Der Brauch wird nicht nur in Deutschland hochgehalten. Sternsinger gibt es ebenfalls in Österreich, der Schweiz, in Skandinavien, in England, in Südtirol und in Slowenien. Ja sogar in Mexiko und Spanien ist das Sternsingen populär. In einigen Ländern wie Deutschland, Österreich und Tschechien obliegt die Organisation des Dreikönigsingens der katholischen Kirche. In Österreich ist das Sternsingen die größte Hilfsaktion des Jahres. Beispielsweise wurde der Wiederaufbau des Stephansdoms in Wien durch Spenden anlässlich des Dreikönigsingens finanziert. Im Jahr 2013 sammelten die österreichischen Sternsinger mehr als 15 Millionen Euro. In Deutschland wird die Aktion dagegen von Kindern für Kinder durchgeführt und ist damit die weltweit größte Hilfsaktion dieser Art. Im Jahre 2003 wurde die „Aktion Dreikönigssingen“ und alles damit in Zusammenhang stehende sogar urheberrechtlich geschützt. In der Schweiz fließen die eingenommenen Gelder in den Solidaritätsfond „Kinder helfen Kindern“.
Das Sternsingen dient also nicht nur der Unterhaltung, sondern findet unter einem ernsten Hintergrund statt. Hauptsächlich werden Hilfsprojekte für Kinder auf der ganzen Welt unterstützt. Dabei spielt es keine Rolle, welchem Glauben man angehört. Die Sternsinger sind anderen Glaubensrichtungen und auch Ungläubigen gegenüber loyal. Auch Thomas Mundmann weiß zu berichten, dass es in dieser Hinsicht bisher keinerlei Differenzen gab.
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