Categories
Leinwand

NS-Raubkunst gibt es nicht nur auf Leinwand

253502_web_R_K_B_by_Mathias Brenning_pixelio.de (2)Seit 2013 gibt es in Weimar die Klassik-Stiftung. Das passt gut, schließlich ist die Stadt für ihr kulturelles Erbe weltbekannt. Bei der Klassik-Stiftung geht es aber nicht ausschließlich um Schiller und Goethe, Theaterstücke oder Ausstellungen in Museen, sie beschäftigt sich weiterhin mit NS-Raubkunst. Der berühmte Dichterfürst und dessen Kollegen spielen hier gleichfalls eine Rolle. NS-Raubkunst gibt es nämlich längst nicht nur auf Leinwand in Gestalt von milliardenschweren Gemälden berühmter Künstler, sie umfasst ebenfalls Bücher und andere Kulturgüter. Diese müssen nicht zwangsläufig einen hohen ideellen Wert haben. Manchmal steht einfach nur die Erinnerung an ihre dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallenen Familienangehörigen für die Erben im Vordergrund.

So ist es beispielsweise bei der Zitatensammlung „Mit Schiller durch das Jahr“ von Carl Retsiem, die 1908 im Concordia-Verlag erschienen war. Das Buch hatte einst die Thüringische Landesbibliothek von einem Antiquariat erworben. Was damals keiner wusste, woher das Buch ursprünglich kam. Es stammte aus dem Besitz des jüdischen Apothekers Leopold Scheyer. Dieser war 1939 in die Niederlande geflohen, um der Deportation zu entkommen. Seine Frau Nanny blieb zurück und wurde in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt, wo sie umkam. Ihr Mann indes nahm sich 1943 das Leben.

Die Zitatensammlung der Familie landete in der heutigen Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Einen großartigen Wert hat es nicht. Es wurde mehrfach gedruckt und ist zudem für Forscher uninteressant. Dennoch fand sich nach vielen Jahrzehnten jemand, dem das Buch sehr viel bedeutet. Es war eine Enkelin von Leopold Scheyer, die in Großbritannien beheimatet ist. Das fand der Historiker Peter Prölß heraus, der als Raubkunstforscher für die Klassik-Stiftung tätig ist. Er führt Nachforschungen zu den „Verdachtsfällen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“ durch und stieß dabei auf die rechtmäßige Erbin, die inzwischen diese besondere Erinnerung an ihren Großvater zurückerhalten hat.

Prölß ist eine von insgesamt acht Personen, die sich seit dem Oktober 2013 mit derartigen Fällen systematisch befassen. Beteiligt an dem Projekt sind vier Forscher, drei Historiker und eine Juristin. Gefördert wird das bis in den nächsten Herbst laufende Vorhaben zur Hälfte von der in Berlin ansässigen Arbeitsstelle für Provenienzrecherche. Die Beteiligten hoffen natürlich auf eine Verlängerung, neu ist ihnen das Fachgebiet der NS-Raubkunst aber nicht. Schon länger beschäftigt sich die Stiftung mit der Herkunftsforschung von verschiedenen Kunstgegenständen. Allerdings geschah das bis zur Einrichtung des Projekts nur punktuell. Die systematische Recherche ist erst seit 2009 möglich.

Ab 2010 gab es ein erstes Förderprojekt. Historiker Rüdiger Haufe sorgte damals für einen genaueren Überblick über die Materie. Mit Hilfe von Rechnungen, Korrespondenzen, Zugangsbüchern und Inventarlisten fand er heraus, dass bei rund 20 Prozent dessen, was der Stiftung aus den Jahren von 1933 bis 1945 zugegangen war, der Verdacht auf NS-Raubkunst bestand. Bei der altehrwürdigen Anna-Amalia-Bibliothek ist der Anteil gar noch höher: Von den im vorgenannten Zeitraum getätigten 35.000 Buchankäufen besteht bei 10.000 Vorgängen Raubkunstverdacht. Derzeit werden die Käufe bis 1939 von den Stiftungsmitarbeitern untersucht. Dementsprechend wird es auch in der Zukunft noch genug zu tun geben.

Ein weiterer wichtiger Schritt wurde mit der Gründung des Internationalen Arbeitskreises Provenienzforschung getan, der am 23. und 24. April mit 100 Teilnehmern in Weimar tagte.

Bildquelle: © Mathias Brenning / Pixelio.de

Categories
Allgemein Leinwand

NS-Raubkunst auf Leinwand: Neues Zentrum in Magdeburg hat Arbeit aufgenommen

684383_web_R_K_B_by_Angela Parszyk_pixelio.deDer Zweite Weltkrieg ist seit nahezu 70 Jahren vorbei und trotzdem verfolgen uns die Machenschaften der Nationalsozialisten noch immer. Gerade in der Kunst war in den letzten Jahren des Öfteren der Begriff NS-Raubkunst zu hören. Das ist dem im Mai 2014 verstorbenen Kunsthändler Cornelius Gurlitt zu verdanken. Er war Besitzer des legendären „Schwabinger Kunstfunds“, der der Debatte über die Behandlung von NS-Raubkunst auf Leinwand regelmäßig neuen Zündstoff gab.

Zwar ist das Erbe Gurlitts mittlerweile geklärt, doch weiß man bis heute nicht, welche Kunstwerke sein rechtmäßiges Eigentum waren. Und die bei Gurlitt gefundenen Gemälde waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Tausende von Kunstwerken sind im Umlauf, bei denen nicht eindeutig geklärt ist, ob es sich um NS-Raubkunst handelt. Um die Herkunftsforschung voranzutreiben, wurde in Magdeburg das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste gegründet. Anfang des Jahres nahm es seine Arbeit auf.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erhofft sich von der neuen Einrichtung eine Beschleunigung der Suche nach NS-Raubkunst. Zugleich wendet sie sich an die Museen und fordert von diesen, nachdrücklicher auf eine gezielte Recherche zu bestehen. Jene argumentierten bisher mit fehlenden finanziellen Mitteln. Diese Ausrede will Grütters aber nicht mehr gelten lassen. Schließlich wurden vom Bund die Mittel für die Provenienzforschung im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um zwei Millionen Euro erhöht. Insgesamt stehen damit sechs Millionen Euro für die Klärung der Herkunft von Kunstwerken zur Verfügung.

In dem neuen Zentrum sind bisher 20 Mitarbeiter beschäftigt. Ihre vordergründige Aufgabe ist die Suche nach NS-Raubkunst. Aber auch die Beratung privater Sammler und öffentlicher Einrichtungen fällt in ihren Zuständigkeitsbereich. Hier ist die Rückgabe von Kulturgütern das vorherrschende Thema.

Bereits bestehende Einrichtungen mit dem gleichen Tätigkeitsschwerpunkt sollen künftig unter dem Dach des Zentrums zusammengefasst werden. Es soll ein zentraler Ansprechpartner für dieses komplexe Thema“ geschaffen werden, so Grütters. Auch könne so der Informationsfluss transparent gestaltet werden. Das Zentrum werde weiterhin mit den Kulturverlusten in der DDR und in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone betraut.

Die ebenfalls in Magdeburg ansässige Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, die gleichzeitig Betreiber der Datenbank lostart.de ist, die Forschungsstelle für “Entartete Kunst” der Freien Universität Berlin, die Beratende Kommission für Streitfälle (Limbach-Kommission) und die Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin sollen ferner mit dem Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste vereint werden. Gleiches gilt für die Taskforce, die sich mit den Kunstfunden von Cornelius Gurlitt befasst. Bei ungefähr der Hälfte, der mehr als 1.200 Bilder besteht, der Verdacht, dass es sich um NS-Raubkunst handelt.

Das von Gurlitt als Erbe eingesetzte Kunstmuseum Bern hat die Erbschaft inzwischen angenommen. Noch in diesem Jahr will es einige Werke aus dem Nachlass des Sammlers zeigen. Ob es aber soweit kommt, bleibt abzuwarten. Mittlerweile ist eine Cousine des Sammlers aufgetaucht, die das Testament anfechten will. Eine öffentliche Stellungnahme zu dem neuen Sachverhalt wurde erst für März angekündigt.

Der größte Teil der Sammlung befindet sich derzeit noch immer in Deutschland an einem geheimen Ort. Drei Werke wurden von der Taskforce nach über einjähriger Nachforschung als NS-Raubkunst identifiziert. Die drei Bilder sollen zeitnah an die Erben der rechtmäßigen Eigentümer herausgegeben werden. Was mit dem Rest der Sammlung passiert, ist weiterhin unklar.

Bildquelle: © Angela Parszyk / Pixelio.de