In der U-Bahn von London kann man sich den „Fun Seat“ aussuchen, sofern er frei ist, oder bei „Camilla & Charles“ aussteigen. Man muss nur auf die lustigen Sticker achten, die seit einiger Zeit die U-Bahn-Waggons und –Pläne zieren. Hinter der Aktion steckt eine Gruppe von Künstlern, die mit dieser Form von Street Art die Fahrgäste ein wenig heiter stimmen wollen.
Gerade den U-Bahn-Plänen geht man lieber aus dem Weg. Für die meisten Menschen sind sie nur ein undurchdringliches Wirrwarr aus Punkten, Strichen und Namen. Wer täglich die gleiche Strecke fährt, kennt den Weg ohnehin schon auswendig und würdigt den Streckenplan keines Blickes mehr. Das sollte man aber nun unbedingt einmal wieder tun. Denn jetzt halten die Bahnen nicht mehr am Piccadilly Circus oder der Notting Hill Gate, sondern bei „Diana“, „Drunk“ (zu deutsch betrunken) oder „The End“, was unzweifelhaft für die Endstation steht. Doch ein zu langes Draufstarren und Amüsieren wird vom Plan auch bestraft. Der findet es nämlich gar nicht schön, ständig begafft zu werden und gibt seine Abneigung dagegen den Fahrgästen mit einem „Stop Staring“ (“Hör auf, so zu gucken“) bekannt.
Die derzeit im Londoner Untergrund zu sehende Street Art trieft vor typisch britischem schwarzem Humor. Urheber ist die Künstlervereinigung „Stickers on the Central Line“. Demzufolge werden die Sticker nur innerhalb der Central Line verwendet, welche die längste U-Bahn-Linie in der Hauptstadt Englands ist. Sogar ein Sinn steckt dahinter. Hat man sein Singleleben satt, kann man beispielsweise direkt in eine Beziehung fahren, indem man sich mit der U-Bahn von der Haltestelle „Single“ zum nächsten Stopp mit dem Titel „In a relationship“ bringen lässt. Weiterhin wird an die menschlichen Bedürfnisse gedacht. Muss man austreten, steht eine entsprechende Station mit dem Namen „Toilets“ zur Verfügung. Zuvorkommenderweise lassen sich dem Streckenplan auch gleich die Preise nach Geschlechtern getrennt für den Toilettengang entnehmen.
Der Schilderwald in der U-Bahn wirkt dank der liebenswerten Geister, den fliegenden Hexen und den gezielt platzierten Buchstaben nun fröhlich-verspielt. Der ironische Unterton ist dabei aber nicht zur überhören. Ist man eher ängstlich, ist der „Broken Hill“ wahrscheinlich nicht die richtige Station für einen Ausstieg. Hier bricht die Linie nämlich einfach ab. Ob das der Wahrheit entspricht? Hinfahren und selbst nachschauen!
Mit einer gewissen Ironie geht es im Inneren der Waggons weiter. Man achte hier auf die etwas unscheinbar wirkenden blau-weißen Sticker. Erst bei genauerem Hinsehen offenbaren sie ihr spaßiges Geheimnis. Bei der Auswahl des richtigen Sitzplatzes sollte man Vorsicht walten lassen. Der oben bereits vorgestellte „Fun Seat“ etwa ist für Gäste gedacht, die sich gerne dem Trinken, Rauchen und „Unzucht treiben“ hingeben. Wohlweislich ist er oft weit genug vom „Royal Seat“ („Königlicher Sitz“) entfernt, denn wer möchte sich solchen Dingen schon gern unter den Augen der Königsfamilie hingeben. Womöglich landet man dann auch noch auf dem „Electric Seat“ („Elektrischer Stuhl“), obwohl dieser eher für „stinkende Fahrgäste“ und Mörder reserviert ist.
Welcher Gedanke zu der Stickeraktion führte, verrät die Künstler-Bewegung auf ihrer Facebook-Seite. Man möchte die Central Line verschönern und einen Beitrag zur Verbesserung der Stimmung unter den Fahrgästen leisten. Mit durch die Sticker angeregten Diskussionen und die Freude über sie soll dem Frust über Streiks, Verspätungen und Bauarbeiten entgegengewirkt werden. Ein guter Vorsatz. Da kann man nur wünschen, dass die Fahrgäste die Sticker ebenfalls als Aufwertung der Qualität ihrer U-Bahn-Fahrt sehen.
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