Der Fall Cornelius Gurlitt war von Anfang an verwirrend. Nicht nur, dass den zuständigen Stellen Versäumnisse vorgeworfen wurden, auch die mit der Herkunftsforschung beauftragten Experten tappten lange im Dunkeln. Nach zwei Jahren intensiver Forschung legten sie nun ihren Abschlussbericht vor. Dieser offenbart, dass unter der mehr als 1.500 Kunstwerken umfassenden Sammlung nur bei den wenigsten Bildern unzweifelhaft davon ausgegangen werden kann, dass sie einst von den Nazis unrechtmäßig in deren Besitz gebracht wurden.
Cornelius Gurlitt war der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der der bedeutendste Kunsthändler zu Zeiten des NS-Regimes war. Hildebrand Gurlitt war einer von vier Kunsthändlern, die von den Nazis als Händler für „Entartete Kunst“ bestimmt wurden. Sie allein waren dazu berechtigt, mit den vordergründig von Juden beschlagnahmten Gemälden und andere Kunstgegenständen Handel zu treiben. Gurlitts Haupttätigkeitsgebiet war Frankreich. Im Jahre 1943 wurde Hildebrand Gurlitt vom Kunsthistoriker Hermann Voss zu einem der Haupteinkäufer für das „Führermuseum“ in Linz ernannt. Nach dem Krieg stritt Gurlitt jegliche Beteiligung daran ab und blieb weiterhin ein geschätzter Kunstexperte.
Auch privat widmete sich Hildebrand Gurlitt dem Sammeln von Kunst. Die klassische Moderne hatte es ihm angetan und als er 1956 an den Folgen eines Autounfalls verstarb, wurde sein Sohn Cornelius Gurlitt als Erbe seiner umfassenden Kunstsammlung eingesetzt. Um welche Art von Kunst es sich handelte, war bis 2012 nahezu unbekannt. Cornelius Gurlitt fiel erst auf, als er 2010 bei einer Zugfahrt von Zürich nach München von Zollbeamten mit einer ungewöhnlich großen Menge Bargeld aufgegriffen wurde. Bis zur Durchsuchung seiner Wohnung dauerte es allerdings noch bis Februar 2012, wo die Fahnder dann die unglaubliche Entdeckung eines Teils des „Schwabinger Kunstfundes“ machten. Später wurden weitere Werke in seiner Salzburger Wohnung sichergestellt. Cornelius Gurlitt starb im Mai 2014, seine Kunstsammlung hielt die Welt aber weiter in Atem.
Mitte Januar 2016 wurde nun endlich der Abschlussbericht veröffentlicht. Die Arbeit der Expertenkommission ist damit beendet, das Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg wird jedoch die Ermittlungen nach der Herkunft der Bilder fortsetzen. Von den rund 1.500 Werken standen 500 in Verdacht, dass es sich bei ihnen um NS-Raubkunst handelt. In fünf Fällen ließ sich beweisen, dass dieser Tatbestand erfüllt ist. Bei sechs Gemälden auf Leinwand konnte die Herkunft tatsächlich geklärt werden. Vier Bilder vom aus Thüringen stammenden Maler Otto Dix wurden in der Sammlung vermutet, konnten aber nicht gefunden werden. Nach wie vor fehlt von ihnen jede Spur. Ein Gemälde vom Franzosen Marc Chagall stellte sich bei näheren Untersuchungen als Fälschung heraus.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte anlässlich der Veröffentlichung des Abschlussberichts am 14. Januar, dass es dennoch weiterhin das Ziel sei, die Herkunft jedes einzelnen Kunstwerkes herauszufinden. Für das nächste Jahr wird das Zentrum Kulturgutverluste mit der Provenienzenforschung beauftragt. Diesbezüglich wurde bereits ein auf ein Jahr befristeter Vertrag geschlossen.
Die bisher damit betraute Kommission sieht die größten Probleme in den oftmals während der Kriegszeit verlorengegangenen Dokumenten. Ohne diese sei es schwer, die Herkunft und auch den rechtmäßigen Besitzer zu ermitteln. Zudem seien Privatarchive selten an einer Zusammenarbeit interessiert und geben kaum Auskunft zu bei ihnen eventuell vorhandenen Informationen.
Die Bundestagsabgeordnete Sigrid Hupach (Linke) hegt Zweifel daran, ob die zur Verfügung stehenden Gelder überhaupt für die in Zukunft geplanten Ermittlungen ausreichend sind. Immerhin sei es mit den bisher verwendeten 1,8 Millionen Euro gerade einmal gelungen, elf Bilder eindeutig als NS-Raubkunst zu identifizieren.
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